INSOLVENZPLANVERFAHREN

Sammlung gerichtlicher Entscheidungen in Insolvenzplanverfahren

 

AG Mühldorf a. Inn, Beschluß vom 27.07.1999, AZ 1 IN 26/99

 

In dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Fa. E GmbH, ... gesetzlich vertreten durch den Geschäftsführer..., im Insolvenzplanverfahren vertreten durch Rechtsanwälte..., wird der Insolvenzplan vom 08.04.1999, zuletzt berichtigt am 27.04.1999 und 27.05.1999 und abgeändert im Erörterungstermin vom 15.07.1999, bestätigt.

Gründe:

Der Insolvenzplan ist von der Schuldnerin, somit durch eine vorlageberechtigte Person gemäß § 218 I 1 InsO vorgelegt worden. Wie vom Gesetz vorgeschrieben, enthält der Insolvenzplan einen darstellenden und einen gestaltenden Teil. Auch sind ihm die erforderlichen Anlagen beigefügt.

Im Termin vom 27.07.1999 haben die Gläubiger in Gruppen über den Insolvenzplan abgestimmt. Die schriftlich abgegebenen Stimmen wurden, soweit sie dem Gericht bis zum Ablauf des 26.07.1999 vorlagen, mitberücksichtigt. Insgesamt haben 7 Gruppen abgestimmt.

Gruppe 1:

Gruppe 1 umfaßt die Gläubiger, deren Absonderungsrechte Finanzkredite absichern. Es waren stimmberechtigt 2 Gläubiger mit Gesamtforderungen von 12.109.189,11 DEM. Für den Insolvenzplan stimmte 1 Gläubiger mit einer Forderung von 4.079.900,35 DEM. Gegen den Insolvenzplan stimmte 1 Gläubiger mit einer Forderung von 8.029.288,76 DEM. Damit wurden die Mehrheiten nach § 244 I Nr. 1 und 2 InsO nicht erreicht.

Gruppe 2:

Der Gruppe 2 zugeordnet ist die Stadt W., soweit ihre Forderungen durch Absonderungsrechte in Höhe von 300.000,-- DEM gesichert sind. Stimmberechtigt war somit 1 Gläubiger mit Gesamtforderungen von 701.735,78 DEM. Dieser Gläubiger hat dem Insolvenzplan zugestimmt. Damit wurden die Mehrheiten nach § 244 I Nr. 1 und 2 InsO erreicht.

Gruppe 3:

Der Gruppe 3 zugeordnet sind Gläubiger, deren Absonderungsrechte Forderungen aus Lieferung und Leistung absichern. Es waren stimmberechtigt 26 Gläubiger mit Gesamtforderungen von 320.340,66 DEM. Für den Insolvenzplan stimmten 22 Gläubiger mit Forderungen von 237.293,09 DEM. Gegen den Insolvenzplan stimmte kein Gläubiger. Damit wurden die Mehrheiten nach § 244 I Nr. 1 und 2 InsO erreicht.

Gruppe 4:

Der Gruppe 4 zugeordnet sind Gläubiger, deren Forderungen nicht durch Absonderungsrechte gesichert sind, jedoch über 2000,-- DEM brutto liegen und welche keine Arbeitnehmer sind. Es waren stimmberechtigt 72 Gläubiger mit Gesamtforderungen von 4.352.830,36 DEM. Für den Insolvenzplan stimmten 57 Gläubiger mit Forderungen von 4.090.071,24 DEM. Gegen den Insolvenzplan stimmten 2 Gläubiger mit Forderungen von 9.128,45 DEM. Damit wurden die Mehrheiten nach § 244 I Nr. 1 und 2 InsO erreicht.

Gruppe 5:

Der Gruppe 5 zugeordnet sind Gläubiger, deren Forderungen nicht durch Absonderungsrechte gesichert sind, 2000,-- DEM brutto nicht übersteigen und welche keine Arbeitnehmer sind. Es waren stimmberechtigt 48 Gläubiger mit Gesamtforderungen von 36.673,52 DEM. Für den Insolvenzplan stimmten 38 Gläubiger mit Forderungen von 29.862,29 DEM. Gegen den Insolvenzplan stimmte kein Gläubiger. Damit wurden die Mehrheiten nach § 244 I Nr. 1 und 2 InsO erreicht.

Gruppe 6:

Gruppe 6 umfaßt die Arbeitnehmer. Soweit das Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt der Planbestätigung nicht mehr besteht oder bereits gekündigt ist, sind auch solche Arbeitnehmer Gläubiger dieser Gruppe, wenn und soweit sie noch Lohnforderungen gegen die Schuldnerin aus 1999 sowie einen Anspruch auf Weihnachtsgeld aus 1998 haben. Es waren stimmberechtigt 91 Gläubiger mit Gesamtforderungen von 203.066,08 DEM. Für den Plan stimmten 63 Gläubiger mit Forderungen von 146.542,85 DEM. Gegen den Plan stimmten 6 Gläubiger mit Forderungen von 12.927,70 DEM. Damit wurden die Mehrheiten nach § 244 I Nr. 1 und 2 InsO erreicht.

Gruppe 7:

Gruppe 7 umfaßt einzig den PENSIONS-SICHERUNGS-VEREIN PSV aG. Stimmberechtigt war somit 1 Gläubiger mit einer Gesamtforderung von 628.221,-- DEM. Dieser Gläubiger hat dem Insolvenzplan zugestimmt. Damit wurden die Mehrheiten nach § 244 I Nr. 1 und 2 InsO erreicht.

 

Zur Annahme des Insolvenzplans durch die Gläubiger war es gemäß §§ 244-246, 248 InsO erforderlich, daß alle Gläubigergruppen dem Plan zustimmen. Diesbezüglich war es erforderlich, daß die Mehrheiten des § 244 I InsO (Kopf- und Summenmehrheit) erreicht werden. Vorliegend ergab sich eine mehrheitliche Zustimmung zum Insolvenzplan, da 6 von 7 Gruppen dem Plan mit den erforderlichen Mehrheiten zustimmten. Soweit die erforderliche Mehrheit in Gruppe 1 nicht erreicht wurde, gilt die Zustimmung dieser Gruppe wegen Verstoßes gegen das Obstruktionsverbot nach § 245 InsO als erteilt.

Auf Grundlage der heutigen Erkenntnisse, des vorgelegten Gutachtens und der Berichte des Insolvenzverwalters, des Vermögensverzeichnisses, der Stellungnahmen zum Insolvenzplan, des Prüfungsergebnisses über die Plausibilitätsprüfung der Liquidationsplanung der Schuldnerin durch Wirtschaftsprüfer T. sowie des Bewertungsgutachtens kann dazu folgendes ausgeführt werden:

Die Gläubigerin Volksbank B. eG stellt sich als Gläubigerin der Gruppe 1 nicht schlechter, als sie ohne Plan stehen würde. Sie erhält nach Plan Vollbefriedigung. Gemäß Bst. B III 1 des Plans wird ihr die Aussetzung der Tilgung der Kredite bis zum 30.09.2000 abverlangt. Dies stellt aber keinen wirtschaftlichen Nachteil dar, denn das derzeitige Zinsniveau liegt im Bereich der hypothekarisch besicherten Darlehen im 5-jährigen Bereich bei 5,10 % und im 10-jährigen Bereich bei 5,75 %. Der 1-Monats-Fibor liegt bei 2,63 % (Quelle: Kreditinstitute und Bundesbankstatistik; Stand 27.07.1999). Das derzeit vereinbarte Zinsniveau liegt bei durchschnittlich 5,66 % für eine vereinbarte Laufzeit von 10 Jahren. Das diese Betrachtungsweise hier einfließen kann, zeigt die übliche Bankenpraxis, die dem Bankkunden im Falle der vorzeitigen Rückzahlung eines Darlehens mit fester Laufzeit mit sogenannten Vorfälligkeitsentschädigungen belastet. Unbeachtet bleiben darf in diesem Zusammenhang nicht, daß die den Plan ablehnende Gläubigerin ihr Darlehen für die Laufzeit stehen lassen muß, die Mittel also später zurückfließen werden, als wenn das Unternehmen zerschlagen und die Sicherheiten liquidiert werden würden. In dieser Zeit ist die Gläubigerin zwar mit dem erneuten Insolvenzrisiko der Schuldnerin belastet. Dies stellt aber aus zwei Gründen keinen Nachteil für die Gläubigerin dar, denn zum heutigen Tage kann die Gläubigerin sowohl bei der Fortführung als auch bei der Zerschlagung mit vollständiger Befriedigung rechnen.

Aus heutiger Sicht wird sich die Sicherheitenlage der Gläubigerin nicht verschlechtern. Für deren Forderung haften das Betriebsstättengrundstück mit den aufstehenden Bauten, das bewegliche Anlagevermögen, fertige und unfertige Erzeugnisse, Vorräte sowie Kundenforderungen. Das Betriebsstättengrundstück wird sich im Falle einer Produktionsfortführung nicht wesentlich verschlechtern und daher seinen Wert nicht vermindern bzw. verlieren. Wie die vorgelegte Bewertung der Fertig- und Halbfertigprodukte zeigt, ist der Wert im Fortführungsfalle höher als im Zerschlagungsfalle (Verkehrswert Fertigerzeugnisse im Liquidationsfall: 23.094,44 DEM, im Fortführungsfall 446.958,92 DEM; Verkehrswert unfertige Erzeugnisse im Liquidationsfall: 25.151,24 DEM, im Fortführungsfall 314.616,41 DEM; vgl. Bewertungsgutachten Liquidations-/Fortführungsstatus vom 15.06.1999). Auch die Kundenforderungen sind im Fortführungsfalle werthaltiger als im Zerschlagungsfalle. Einzig das bewegliche Anlagevermögen unterliegt durch Benutzung einem wirtschaftlich bedeutsamen Wertverzehr. Dieser wird jedoch nach den vorgelegten Unterlagen dadurch ausgeglichen werden können, da das Unternehmen derzeit auch die sogenannten Abschreibungen erwirtschaftet und damit zu erwarten steht, daß die Schuldnerin reinvestieren wird. Damit wird sich die Sicherheitenlage der Gläubigerin nach den vorgelegten Unterlagen zukünftig voraussichtlich nicht verschlechtern. Weiter darf nicht unbetrachtet bleiben, daß die Gläubigerin durch den Plan keine Feststellungs- und Verwertungsbeiträge nach §§ 10 I Nr. 1a ZVG, 171 InsO zu entrichten hat. Die Voraussetzung des § 245 I Nr. 1 InsO, wonach der Gläubiger dieser Gruppe durch den Insolvenzplan voraussichtlich nicht schlechter gestellt werden darf, als er ohne Plan stünde, ist somit gegeben.

Das zweite Erfordernis zur Überwindung des Negativvotums der Gläubigerin in Gruppe 1 ist deren angemessene Beteiligung an dem wirtschaftlichen Wert, der den Beteiligten auf der Grundlage des Plans zufließen soll. Diese Voraussetzungen werden in § 245 II InsO konkretisiert. Die dort genannten Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen (vgl. Nerlich/Römermann RdNr. 18 zu § 245). Der Gesetzgeber definiert legal und wohl abschließend das Gebot der angemessenen Beteiligung am Planerlös. Zu § 245 II Nr. 1 InsO: Kein Gläubiger erhält ausweislich des Plans wirtschaftliche Werte, die den vollen Betrag seines Anspruchs übersteigen. Zu § 245 II Nr. 3 InsO: Beide Gläubiger in Gruppe 1 werden ausweislich des Plans gleichbehandelt. Zu § 245 II Nr. 2 InsO: Nach Plan erhält kein Gläubiger, welcher im Regelinsolvenzverfahren nach den Gläubigern der Gruppe 1 nachrangig zu behandeln gewesen wäre, mehr als er im Regelinsolvenzverfahren erhalten hätte. Problematisch allein dürfte die Frage sein, ob die Schuldnerin oder ihre Gesellschafter einen wirtschaftlichen Wert im Sinne des § 245 II Nr. 2 InsO durch die Planbestätigung erhalten. Streitig und ungeklärt ist bereits, ob die Regelung des § 245 I Nr. 2 InsO i.V.m. Abs. II für diejenigen Gläubiger anwendbar ist, welche in § 222 I Nr. 1 InsO genannt sind (absonderungsberechtigte Gläubiger). Braun in Nerlich/Römermann, RdNr. 22 zu § 245, führt hierzu aus, daß ein Rangverhältnis i.S.d. § 245 II Nr. 2 InsO lediglich besteht zwischen den Gläubigerforderungen i.S.d. § 222 I Satz 2 Nr. 2 und 3 InsO, nicht jedoch im Verhältnis zu den Inhabern von Absonderungsrechten. Die nicht nachrangige Forderung ist demzufolge dem Absonderungsrecht nicht nachrangig. Weiters wird dort ausgeführt, daß § 245 II Nr. 2 InsO nicht bedeute, daß absonderungsberechtigten Gläubigern eine hundertprozentige Befriedigung versprochen sein müßte, bevor der Plan hinsichtlich der Gruppe der nicht nachrangigen oder nachrangigen Insolvenzgläubiger überhaupt eine Quote vorsieht. Fraglich ist, ob diese Problematik überhaupt zu betrachten ist, wenn die ablehnende Gläubigerin nach den Vorstellungen des Plans, wie oben bereits ausgeführt, keine Verzicht leisten muß. Die Beantwortung dieser Fragen kann dahinstehen, denn der Schuldnerin oder ihren Gesellschaftern wird kein wirtschaftlicher Wert zugewandt.

Zwar kann im Einzelfall in der Möglichkeit der Unternehmensfortführung durch den Schuldner oder deren Anteilseigner ein wirtschaftlicher Wert i.S.d. § 245 II Nr. 2 InsO liegen (Vgl. Braun in Nerlich/Römermann RdNr. 25 ff zu § 245 InsO), die Frage des konkreten Einzelfalles bedarf aber der sorgfältigen Betrachtung der Umstände. Soweit ersichtlich, hat die Literatur für die Beurteilung der Umstände noch keine detaillierten Maßstäbe entwickelt. Eine Entscheidung eines deutschen Gerichts liegt gleichfalls, soweit ersichtlich, noch nicht vor. Das Insolvenzplanverfahren, so die überwiegende Literaturmeinung, ist eng angelehnt an das U.S.-amerikanische "Chapter-11-Verfahren"; die Regelung des § 245 InsO ist fast wörtlich der amerikanischen 11 U.S.C. § 1129 (b) (2) (B) (ii)-Norm entnommen. Diese Regelung besagt, daß das Gericht dann einen Plan nicht gegen die Ablehnung einer Gruppe ungesicherter Gläubiger bestätigen darf, wenn der Inhaber eines nachrangigen Anspruchs oder Interesses im Rahmen des Plans in Anrechnung auf den nachrangigen Anspruch oder das Interesse irgendwelche Werte erhält. Zu dieser Norm sind zahlreiche U.S.-amerikanische Gerichtsentscheidungen ergangen. Der U.S. Supreme Court hat am 03.05.1999 in seiner Entscheidung Bank of America National Trust and Savings Association gegen 203 North LaSalle Street Partnership (Ausführungen hierzu ZInsO 99, 373) zu der Frage, wann einem Schuldner oder der an ihm beteiligten Personen ein wirtschaftlicher Wert zufließt, Stellung genommen. Mangels Entscheidungen deutscher Gerichte und vor dem Hintergrund der Vergleichbarkeit der Normen, auf die auch der Gesetzgeber in seinen Gesetzesmaterialien hinweist, können die Kernaussagen dieser Entscheidung auch für das deutsche Recht Geltung haben.

Zur Frage, ob im Einzelfall der baren Möglichkeit der Fortführung eines Unternehmens ein tatsächlicher wirtschaftlicher Wert innewohnt, ist zu prüfen, ob ein fremder Dritter bereit gewesen wäre, das zu betrachtende Unternehmen anstelle des Schuldners oder ihrer Eigner fortzuführen. Im hier zu entscheidenden Fall ist dem Gericht kein solcher bekanntgeworden, welcher vor Planbestätigung das Unternehmen hätte fortführen wollen. Konkrete und bezifferte Übernahmeangebote lagen nicht vor. Damit kann eine Auskehrung eines wirtschaftlichen Werts an die Schuldnerin oder ihre Eigner nicht angenommen werden.

Zur Annahme des Insolvenzplans bedarf es ferner der Zustimmung der Schuldnerin. Diese gilt gemäß § 247 I Inso als erteilt.

 

LG Traunstein, Beschluß vom 27.08.1999, AZ 4 T 2966/99

(Veröffentlichung hier in Kürze)

 

 

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